Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Landwirtschaft und Naturschutz?

 

Junglandwirte und NABU-Vorstand Bremervörde-Zeven miteinander im Gespräch

 

 

Eine Wiese kann man aus zwei völlig verschiedenen Blickwinkeln betrachten: Für den Landwirt ist sie gut, wenn auf gedüngtem Boden proteinreiches Gras für einen fünfmaligen Schnitt wächst, für den Naturschützer ist sie gut, wenn auf magerem Boden eine Vielzahl an Blühpflanzen für eine einmalige Schur wächst.

 

Wie bringt man solch unterschiedliche Sichtweisen zusammen?

 

Um diese und ähnliche Probleme zu diskutieren und um sich überhaupt erst einmal kennenzulernen, haben sich letzte Woche erstmals Junglandwirte und Mitglieder des NABU-Vorstands, beide aus Bremervörde-Zeven, getroffen. Initiiert und organisiert hatten das Treffen Heiko Philipp, Geschäftsführer der Junglandwirte, und Renate Warren, Mitglied des erweiterten NABU-Vorstands. Beide Gruppen hatten Fragen an die jeweils andere Gruppe vorbereitet, woraus Heiko Philipp eine übersichtliche Power-Point-Präsentation gemacht hat. Ein sehr nützliches Instrument bei der Fülle der Themen, wie alle fanden!

 

Schon in der Begrüßungsrunde wurde deutlich, dass beide Seiten unbedingt den Meinungsaustausch wünschen, dass aber auch noch viel Aufklärungsbedarf über die jeweilige Arbeit besteht. Ja es war nicht zu übersehen, dass man sich manchmal immer noch oft als „Wir“ und „Die“ empfindet. Die Landwirte wollten wissen, was der NABU eigentlich genau ist und was seine Aufgaben sind. „Oft fällt es schwer, bei all den Klima-, Tier- und Naturschutzverbänden zu unterscheiden,“ so Henning Borchers, Biolandwirt und Vorsitzender der Junglandwirte. Die Beantwortung dieser Frage übernahm Walter Lemmermann in seiner Funktion als Zweiter Vorsitzender des NABU Bremervörde-Zeven und machte gleichzeitig deutlich, dass Naturschutz genauso vielfältig sei wie Landwirtschaft. „Kein Naturschutzverband gleicht dem anderen, genauso wenig wie ein Hof dem anderen gleicht“, so Lemmermann. Beim NABU Bremervörde-Zeven ginge praktischer Naturschutz Hand in Hand etwa mit Stellungnahmen zu geplanten Windkraftanlagen, Stallbauten, dem Regionalen Raumordnungsprogramm und vielem mehr.

 

Die Junglandwirte ihrerseits repräsentierten die unterschiedlichsten Betriebe: von Milchviehhaltung über Ferkelaufzucht bis zur Ackerfutter- und Eierproduktion, bio und konventionell, Direktvermarktung oder Verkauf über den Lebensmitteleinzelhandel – die ganze Vielfalt der immer noch familiär geführten Höfe aus der Region machte deutlich, wie sehr Landwirte entscheidend zum Erhalt unserer Kulturlandschaft beitragen. Alle anwesenden acht Junglandwirte betonten, dass sie nicht gegen Naturschutz seien, ganz im Gegenteil. „Unsere Generation ist absolut offen für Naturschutzbelange“, so Fabian Ropers aus Spreckens, Betriebsleiter eines Hofes mit 180 Milchkühen. „Wir tun alle etwas für den Naturschutz, wir legen zum Beispiel Blühstreifen an“, stimmte Sven Schröder aus Lavenstedt zu, „aber wenn wir 5 Meter breite Gewässerrandstreifen überhaupt nicht mehr bewirtschaften dürfen und damit Einkommenseinbußen erleiden, kommt das einer Enteignung gleich.“ Für durch Umweltauflagen nicht bewirtschaftbare Flächen kann teilweise noch nicht einmal ein Erschwernisausgleich beantragt werden.

 

Für die Landwirtschaft bedeuten schärfere Umweltauflagen enormen bürokratischen Aufwand, Planungsunsicherheit, Einkommensverluste, Verlust an Motivation und oft genug auch die Aufgabe des Hofes. Immer wieder wurde betont, dass strengere Gesetze zum Tierwohl oder die neue Düngeverordnung wieder einmal höhere Betriebskosten mit sich brächten. Für viele kleine und mittlere Betriebe bedeute das bei der minimalen Gewinnspanne, mit der sie ohnehin schon zurechtkommen müssten, das Aus. Das Ergebnis sei, dass schon jetzt große Betriebe die freiwerdenden Flächen kaufen und weiter wachsen – genau das Gegenteil dessen, was die Politik und die Gesellschaft wollen.

 

Die Vertreter des NABU machten deutlich, dass sie die Naturschutzauflagen nicht erfunden hätten. Vielmehr kämpfe der Verband darum, dass die hoheitliche Sicherung der Niedersächsischen FFH-Gebiete, die schon 2010 bzw. 2013 hätte abgeschlossen sein müssen, endlich umgesetzt wird. Da das aber nicht geschehen ist, hat die EU-Kommission Niedersachsen verklagt. Beim Kampf um den Erhalt von Schutzgebieten, unter denen einzelne Landwirte durchaus leiden, geht es eben nicht nur um NABU-eigene Interessen, sondern um die Umsetzung von EU-Richtlinien. Es sei eine rechtliche Frage, auf deren Einhaltung andere europäische Länder wie Dänemark oder Frankreich schon lange drängten, da sie ja ebenfalls die Brüsseler Beschlüsse einhalten müssten.

 

Die Aufgabe des Naturschutzes besteht darin, die Artenvielfalt zu erhalten und in einigen Gebieten möglichst wieder zurückzugewinnen. Die ausgewiesenen Schutzgebiete reichen bei weitem nicht aus, um der Natur eine wirkliche Chance zu geben. Populationen werden in Inseln gedrängt und sterben immer mehr aus. Naturschutzverbände wie der NABU haben großes Verständnis für die Nöte der Landwirte, wünschen sich aber genauso Verständnis für den Kampf um die wenigen verbliebenen Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen. „Es macht nur in den seltensten Fällen Sinn, wenn die öffentliche Hand Flächen aufkauft, diese dann aber nicht pflegt, sondern brachliegen lässt“, betonte Walter Lemmermann, „vielmehr ist eine extensive Bewirtschaftung unserer Kulturlandschaft das wünschenswerte Ziel.“

 

Auch wenn Heiko Philipp immer wieder sachte auf die vorbereiteten Fragen an der Leinwand verwies, was gelegentlich alle zum Lachen brachte, waren die Themen dieses Abends wie erwartet zu vielfältig, um ausdiskutiert werden zu können. Sie reichten vom Konflikt zwischen Weltmarkt und regionaler Produktion über den gesättigten Markt für Biomilch, die ungeliebte „Bauernmilliarde“, das Handelsabkommen Mercosur, die Flächenversiegelung, die neue A20 bei Bremervörde bis hin zur neuen Düngeverordnung. Besonders diese brennt vielen Landwirten unter den Nägeln, vor allem, wenn sie immer alles richtig gemacht haben, ihre Nährstoffvergleiche keine Überdüngung nachweisen, sie aber trotzdem in einem roten Gebiet liegen.

 

Zu vorgerückter Stunde suchten Landwirte und Naturschützer noch Antwort auf die Frage, welche Gemeinsamkeiten es zwischen beiden Gruppen geben und wo man zusammenarbeiten kann. „Der große Durchbruch zu wirklich umfangreichem Naturschutz in der Landwirtschaft kann nur geschehen, wenn dies politisch gewollt ist“, meint Renate Warren, „aber das ist im Moment nicht erkennbar.“ Dennoch ist es sehr wohl möglich, so Simone Kasnitz vom NABU, gerade regional, hier in unserer Region, viele kleine Projekte auf den Weg zu bringen, die der Natur und den Bauern helfen. „Ich habe sehr viele gute Erfahrungen mit einzelnen Landwirten gemacht, die anfangs skeptisch waren, mich aber jetzt fragen, wie sie zum Beispiel beim Wiesenvogelprojekt zum Schutz von Kiebitzen und Brachvögeln mitmachen können.“

 

Zum Schluss informierte Walter Lemmermann noch über das bevorstehende Volksbegehren zur Artenvielfalt und betonte ausdrücklich, dass der NABU Bremervörde-Zeven sich gerade in den kommenden, potenziell konfliktreichen Monaten einen weitergehenden Dialog mit den Landwirten wünsche. Dem stimmten alle ausnahmslos zu, und man verabschiedete sich mit dem guten Gefühl, einen Schritt aufeinander zugegangen zu sein. Landwirtschaft und Naturschutz schauen sehr unterschiedlich auf den Nutzen einer grünen Wiese, aber auf beiden Seiten ist der echte Wunsch vorhanden, miteinander zu reden statt übereinander.