Multitalent Efeu

Bei Spaziergängen und Wanderungen treffe ich leider immer wieder auf abgetötete alte Efeupflanzen. Von vermeintlichen Baumfreunden wurde ein Stück vom Hauptstamm der Kletterpflanze entfernt. Solch ein Anblick stimmt mich traurig. Offensichtlich ist der Irrglaube, der Efeu schade „seinem“ Baum durch Würgen oder Nahrungsentzug, unausrottbar. Gerne rankt der Efeu (Hedera Helix) sich an Eichen, Eschen oder Ahornbäumen hinauf. Eine Eiche kann gemeinsam mit ihrer Kletterpflanze einige hundert Jahre alt werden (Abb. 1).

 

Abb.1: Efeu an alter Eiche.
Abb.1: Efeu an alter Eiche.

Hedera Helix schützt seinen Baum vor starker Sonneneinstrahlung und auch vor Frost. Eine Parasitierung findet nicht statt. Ebenso wird der Stamm nicht von dem Lianengewächs abgewürgt – es macht schließlich keinen Sinn, sein eigenes Klettergerüst umzubringen! Lediglich kleine Bäume, wie zum Beispiel Äpfel oder Birnen, können gelegentlich vom Efeu überwachsen werden, große Bäume niemals. Bei in der Regel flach wurzelnden Obstbäumen kann es, wenn sie mit Efeu bewachsen sind, in trockenen Jahren zu einer Konkurrenz um das knappe Wasser und in der Folge ganz oder teilweise zum Absterben des Baumes kommen.

 

Auch an den meisten Gebäuden richten die Haftwurzeln der immergrünen Kletterpflanze keine Schäden an. Gleichzeitig stellt der „Efeumantel“ eine zusätzliche, erhebliche Wärmedämmung dar. Lediglich bei Gebäuden mit Mängeln, wie zum Beispiel bei schadhaftem Außenputz, können Kletterpflanzen vorhandene Probleme verstärken.

 

Abb.2: Wespendrohnen an Efeublüten im November.
Abb.2: Wespendrohnen an Efeublüten im November.

Zweifellos ist Efeu an Bäumen und Gebäuden sehr schön anzuschauen. Der naturschutzfachliche Wert von Hedera Helix ist nahezu einzigartig! Sie blüht als einzige unserer heimischen Gehölzpflanzen vom Spätherbst bis in den Frühwinter (Abb. 2) , zu einer Zeit also, wenn nur noch sehr wenige andere Pflanzen Nektar und Pollen anbieten. 68 Insektenarten besuchen die Blüten des Efeus. Dabei können es alte Pflanzen auf bis zu 300.000 Einzelblüten bringen. Die hohe Zahl an Blütenbesuchern macht das Umfeld der Kletterpflanzen auch für jagende und parasitierende Insektenarten sehr interessant, ebenso für diverse Vogel- und Fledermausarten. Viele Vögel brüten im Efeu oder nutzen ihn als deckungsreichen Schlafplatz, besonders im Winter. Auch verbringen Eulen gerne den Tag im Blick- und Windschutz eines dicht mit Kletterpflanzen berankten Wald- oder Parkbaumes. 47 Pilzarten leben auf oder vom Efeu. Der massenhafte Fruchtbehang (Abb. 3) von Hedera Helix reift im ausgehenden Winter. In dieser eher nahrungsarmen Zeit sind die Beeren für viele Vogelarten enorm wichtig.

 

Abb.3: Massenhafter Fruchtbehang an altem Efeu.
Abb.3: Massenhafter Fruchtbehang an altem Efeu.

Als Heilpflanze ist Hedera Helix eine gute Medizin, um festsitzenden Schleim zu lösen und Beschwerden beim Husten zu lindern. Das entspannt die Bronchialmuskulatur und erleichtert das Abhusten.

 

Das Multitalent Efeu ist an vielen Straßen und Bahnlinien als effektive, platzsparende und kostengünstige Lärmschutzwand bestens geeignet. Auch und gerade in Zeiten des Klimawandels rückt Hedera Helix immer mehr in den Focus der modernen Stadtplanung: zur Begrünung von Gebäuden, zur Verminderung von Staub, zur Befeuchtung der innerstädtischen Luft sowie zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität im urbanen Raum allgemein. Als zuverlässiger Bodendecker auf Beeten oder in Parks ist er sowieso unschlagbar.